Moderne Technik ist unsere Hilfe im Alltag, das gilt natürlich ganz besonders auf der Straße. Der Bordcomputer mit KI in meinem neuen E-Auto ist da eine echte Hilfe. Oder künstlicher Irrsinn?
Es ist 11:45 und die Sonne scheint. Da steht also mein nagelneues E-Auto vor der Garage. Mit KI, wie es im Prospekt heißt. Es hat einen 17Bit Prozessor und Megaspeicher – nicht so was krüppeliges wie mein alter Benz, der gerade mal über ein Radio und eine Lichtautomatik verfügt. Den stelle ich also jetzt hinter das Haus und nähere mich ehrfurchtsvoll dem neuen Hightech Wunderwerk, dass soeben der Autohersteller abladen lies. Nein, kein altmodischer Händler mehr, der wortreich gestikulierend die Handbremse erklärt – als moderner Bürger eines modernen Landes habe ich das KI-Weltwunder auf 4 Rädern natürlich bei Amazin bestellt.
Schon krass, diese Technik. Der kontaktlose Schlüssel erkennt mich an meinem Gesicht. „Hallo Georg“ lese ich von Außen auf dem Armaturenbrett. Natürlich hat die Wundermaschine sich schon mit meinem KI-Gartentor verbunden, sich mit der Ki-Kaffeemaschine in meiner Küche synchronisiert und das KI-Radio auf meinen Lieblingssender eingestellt. Junge Junge, denke ich, da habe ich aber echt einen tollen Kauf getan!
Mit einem leisen Klick öffnet sich die Tür und ich schwebe in den Innenraum. In dem herrlichen Geruch nach frischem PVC-Plastik, dem betörendem Formaldehyd erkenne ich sofort die clevere Strategie, nicht mehr beim Fahren einzudösen – ja, da haben die Chinesen uns echt was voraus!
Ich lege den Rückwärtsgang ein. Statt dem nervigen 8-Zylinder-Brummen ertönt jetzt als Warnung für die Umgebung ein lustiger chinesischer Ton aus dem Motorraum. Er erinnert mich zwar an eine ostasiatische Hyäne, die verzweifelt nach 7 Tagen ohne Wasser vor dem Kollaps steht, aber immerhin: Mein Nachbar, der alte Spießer mit seinem VW-Passat, schaut neidisch durch das Loch in der Hecke!
Zeit für eine schöne kleine Ausflugsfahrt, bis die „Liebe meines Lebens“ von ihrer Shoppingtour zurückkommen wird. Die wird Augen machen!
Mit einem zärtlichen Knirschen gibt das KI-Gartentor kund, dass es die KI-Kommunikation meines KI-E-Autos nicht versteht und daher nun gewaltsam von ihm niedergewalzt wird, wieder begleitet durch das Gejaule der chinesischen Hyäne.
Schnell schalte ich auf „Drive“ und das Radio aktiviert vollautomatisch sich selbst und spielt dieses mir noch etwas unbekannte chinesische Volkslied ab. „Ich platz gleich“, murmele ich vor mich hin, „wo schalte ich auf meinen Sender mit den Liedern von Helene Fischer um?“ „Zieleingabe akzeptiert: Fischer-Platz wird angefahren“ klingt es aus dem Cockpit und ich merke, dass die Spracheingabe immer aktiv ist. Wow.
Mir wird allerdigns erst jetzt klar, dass man in manchen chinesischen Kantonen auf der rechten Straßen-Seite fährt und die Um-Programmierung auf hiesige Verhältnisse nicht ganz so gut geklappt hat. Zum Glück kann die Müllabfuhr rechtzeitig ausweichen, und der Fiat von dem Pizzaservice war sowieso schon verbeult. Wo um Himmels Willen liegt der Fischer-Platz? In Peking? Der Wagen zuckelt weiter.
„Der Iris-Scan deiner Augen zeigt einen erhöhten Blutdruck an“ höre ich mein Auto sagen, „Ich habe soeben die KI-Kaffeemaschine zu Hause aktiviert, damit du bei deiner Ankunft entspannt Kaffee trinken kannst.“ Ich liebe diesen modernen KI-Service, ein Geschenk an die Menschheit! Allerdings wusste ich gar nicht, dass die Kaffeemaschine noch Wasser im Tank hatte….
Hinter mir bildet sich eine Meute an Schäferhunden, Dackeln und anderen Vierbeinern, die die Gesänge meiner Hyäne wohl falsch interpretieren und von einem seltsamen Jagdtrieb motiviert hechelnd meine rollende KI-Katastrophe verfolgen.
Im Cockpit erscheint jetzt die Meldung, dass meine synchronisierte KI-Kaffeemaschine soeben einen Error anzeigt und in Flammen aufgeht. Die Behörden in Peking werden aber zum Glück sofort informiert, beruhigt die Stimme, während vor mir das Martinshorn der Feuerwehr ertönt, die wohl eine ominöse Hundemeute einfangen möchte, von der gerade im Radio berichtet wird.
Dumm nur, dass die Feuerwehr auf der falschen Seite entgegenkommt. Klare Sache – die hat jedenfalls keine neue KI an Bord. Es ist einfach unglaublich, wie rückständig die deutschen Einrichtungen sind! Die Hundemeute hinter mir biegt jetzt ab und rennt der Feuerwehr hinterher, vorbei an dem Pizzaservice-Fiat, der von der Müllabfuhr aufgesaugt wird, nachdem er ohne KI auf deutschen Straßen unterwegs war.
Ich finde endlich den Reset-Schalter dieses KI-Albtraums. Die kranke KI-Navigation biegt ab und ich zuckle Richtung meines Hauses, dass aufgrund der falsch programmierten KI-Kaffeemaschine gerade abbrennt. Die Feuerwehr ist schon da, traut sich allerdings wegen der Hundemeute nicht, auszusteigen.
Zum Glück ist aber das KI-Gartentor kein Hindernis mehr, sodass mein KI-Irrsinn souverän in die rauchenden Reste meiner ehemaligen Garage rollen kann und dann endlich verstummt.
Die Hunde zerstreuen sich. Die Feuerwehr-Mannschaft steigt aus. Der Nachbar grinst. Das Haus besteht nur noch aus der Rückwand. Die fällt langsam um und mein alter Benz wird sichtbar. Eigentlich ein schönes Auto. Und das ganz Besondere daran: ohne krassen Irrsinn eingebaut.
Was hat Amazin auf die Rechnung hineingeschrieben? Garantierte Rückgabe binnen 14 Tagen ! Wo kann man eigentlich auf das Fahrzeug das Rücksendeetikett aufkleben?